Dienstag, 30. Dezember 2008

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Da mein letzter Eintrag hier nunmal schon Lichtjahre her ist, sind die Erwartungen bis jetzt wohl ins Unermessliche gestiegen. Ich fühle mich ein wenig wie Obama. Um den Druck zu nehmen, schreibe ich jetzt einfach wild im stream of consciousness los, weiß noch gar nicht worüber.
Also erstmal eine kleine Zusammenfassung der Geschehnisse seit meinem letzten Beitrag. Mein erstes Thanksgiving gefeiert, dabei sehr viel gegessen (wenn auch keinen Truthahn) und auch getrunken. Ansonsten habe ich hauptsächlich meine paper geschrieben. Von meinem Weihnachtsurlaub muss ich ja eigentlich nicht schreiben, den haben ja 95% meiner Leser sowieso am eigenen Leib mitbekommen. Für die anderen 5% gibts denn Schnelldurchlauf: Samstags morgens Ankunft zu Hause, nach 2 Stunden auf deutschem Boden endlich das erste Schnitzel, nach 2 Stunden und 5 Minuten das zweite. Am Montag gings nach Köln wo ich endlich meine Freunde (die mich am Telefon schon nicht mehr erkannt haben...) wiedersehen konnte. Dort wurde geredet, gefeiert, sich über romantische Verwicklungen informiert und lecker gegessen. Natürlich war der Abschied wieder tränenreich.
Im Anschluss ging es direkt zum Doktorball meiner Schwester. Zwei Tage in Folge in meinem Anzug war eine neue Erfahrung für mich (und meinen Anzug). Besser gerochen hat er danach definitiv nicht.
Wieder zu Hause gab es dann neben den obligatorischen administrativen Aufgaben auch noch ein Weihnachtsfest im Familienkreis, welches sich dieses Jahr vor allem durch die Tatsache ausgezeichnet hat, dass wir uns gegenseitig Dinge geschenkt haben ,die wir schon hatten. Und selbst wenn wir sie vorher nicht hatten, hatten wir sie spätestens nach Weihnachten doppelt.
Am Samstag morgen gings dann wieder zurück nach Brooklyn. Kleines Problem war nur, dass ich anscheinend mein I-20 Formular vergessen habe, dass man zur Einreise als internationaler Student braucht. Nachdem die Dame beim delta-Schalter gesagt hat, dass sie mich zwar mitnehmen würden, ich aber wohl eine saftige Strafe bezahlen müsse, beschloss ich mir das Shuttle-Taxi zu sparen und stattdessen mit der Bahn zu fahren. Wieder 18$ gespart. Obwohl die Strafe dann ausblieb ("they don't eat as hot as the cook" wie der Amerikaner sagt), bin ich dann trotzdem mit der Bahn gefahren.
Beunruhigt hat mich als tiefenentspannter Phlegmat (obwohl ich doch lieber Sanguniker wäre... was solls, mir doch egal) nur der/die transsexuelle Kontrolleur/in am Frankfurter Flughafen, der eine kleine Flasche Shampoo in meinem Rucksack entdeckte, die ich natürlich komplett vergessen hatte, ergo auch auf dem Hinflug schon dabei hatte, wo sie unentdeckt blieb. ISt doch immer schön zu sehen, wie hoch die Sicherheitsstandards angesetzt sind. Musste dabei sofort an meine alte Klassenkameradin Simone denken (wo war sie eigtl. dieses Jahr im Weihnachtsgottesdienst?), die vor unserer Greichenlandexkursion in der 12. Klasse ein Taschenmesser im Flughafen in einer Topfpflanze verbuddelte um es nach der Rückkehr 10 Tage später wieder unversehrt auszugraben. Hoffentlich reagieren die Sicherheitskräfte bei in Topfplanzen verbuddelten Bombe anders.
In Williamsburg ist die Gentrifizierung in den letzten 2 Wochen weiter vorangeschritten und es gibt noch mehr neue Gebäude. In 10 Jahren sieht WBG wahrscheibnlich aus wie Manhattan.
Natürlich bin ich erstmal mit Colin und dem Zwischenmieter Baptiste gepflegt weggegangen um den Jetlag zu besiegen. Das sollte übrigens jeder machen, der nach Amerika fliegt. Am Ende der nacht weiß man zwar nicht mehr wo man ist, oder wie man heißt, aber dafür ist man am nächsten Tag herrlich an die amerikanische Zeit angepasst.

Heute kam endlich der Verizon-Mann vorbei, der uns das Internet aktivieren sollte. Nachdem er ein merkwürdig aussehendes orangenes Gerät an unsere Internetbuchse angeschlossen hatte, verschwand er im Keller um da angeblich was zu überprüfen. Er ward danach nicht mehr gesehen. Immerhin haben wir jetzt ein merkwürdig aussehendes orangenes Gerät mehr in der Wohnung, aber immer noch kein eigenes Internet. Das nächste Mal bitte ich um seine Kreditkarte als Pfand, vielleicht rennt er dann nicht weg.
Ich habe diese jahr noch keine Schneeflocke gesehen. Es schneit immer nur da wo ich nicht bin, ich sollte anfangen noble Skiorte zuerpressen.
Ansonsten genieße ich grade meine ersten "Ferien" seit langer Zeit. Den New Years Eve (NYE, wie ihn die Amis mit ihrer Vorliebe für Abkürzungen nennen) werde ich wohl auf einer Party verbringen, die von den gleichen underground-Leuten organisiert wird, wie die legendäre Halloween-Party. Das Motto ist passend zur Wirtschaftslage "party like it's 1929". Wenn ich doch meinen Anzug mitgenommen hätte, oder doch wenigstens meinen Hut. Muss aber eh noch Garderobe einkaufen gehen, denn diesmal verlangen sie eine Federmaske (oder ähnliches) um Zutritt zu erlangen, neben einem Passwort versteht sich. Und da ich ja nicht zu später Stunde in eine verfängliche Situation mit der Tochter eines russischen Kostümverkäufers geraten will wie Nicole Kidmans Ex-Mann werde ich versuchen, diese schon heute zu besorgen.

Wahrscheinlich werde ich erst im neuen Jahr wieder schreiben, deshalb wünsche ich meiner Leserschaft ein frohes neues Jahr, und meinem blog wieder etwas mehr Leben (und etwas unterhaltsameren Beiträgen als diesen). Aber dafür werde ich schon sorgen. Jetzt, da der Druck erstmal weg ist.

P.S. Und natürlich kehrte genau während des Schreibens der Verizon-Mann zurück. Jetzt haben wir zwar kein merkwürdig aussehendes orangenes Gerät mehr (und auch nicht seine kreditkarte), aber dafür doch immerhin eigenes Internet. Was für ein tolles Ende für ein Jahr.